Ein von der Technischen Universität Wien entwickelter Rollstuhl ist durch  innovativen Handkurbelantrieb ergonomisch, gelenkschonend und alltagstauglich.

K.U.R.T. ist hilfsbereit. Er unterstützt seine Benützer_innen dabei, sich im Alltag problemlos fortzubewegen und gibt ihnen ihre Mobilität zurück. Damit nicht nur Schulter- und Handgelenke geschont werden, sondern K.U.R.T. auch alltagstauglich ist, entwarfen Forschende und Schüler_innen gemeinsam ein neues Rollstuhlkonzept. Um den tatsächlichen Anforderungen gerecht zu werden, befragte das Forschungsteam Rollstuhlfahrer_innen zu ihrem Nutzungsverhalten sowie Verbesserungspotenzialen und Wünschen.

K.U.R.T. – von jungen, kreativen Köpfen entwickelt

Rund ein Prozent der Bevölkerung ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Dabei treiben 90 Prozent der Benützer_innen ihren Rollstuhl manuell an, was zu Verschleißerscheinungen in Schulter- und Handgelenken führt. „Erhöhte Belastungen der Muskel-Skelettstrukturen sowie extreme Gelenksauslenkungen resultieren häufig in Verletzungen und Schmerzen, vor allem an den Schulter- und Handgelenken. Außerdem wiederholen sich die Bewegungen, die für den Antrieb des Rollstuhls notwendig sind, sehr häufig,“ beschreibt Margit Gföhler, Leiterin des Projekts sowie des Forschungsbereichs Biomechanik und Rehabilitationstechnik an der TU Wien, das Problem. Abhilfe kann ein handkurbelbasierter Antrieb schaffen, der gleichmäßigere Bewegungsabläufe ermöglicht und den Wirkungsgrad erhöht – beim bisher üblichen Antrieb via Greifring liegt dieser gerade einmal bei 10 Prozent. Ein weiteres Problem stellt die stoßartige Belastung dar, berichtet das Forschungsteam.

Wie genau sich ein Standard-Rollstuhl in einen Rollstuhl mit handkurbelbasiertem Antrieb verwandeln kann, der darüber hinaus auch alltagstauglich ist, zeigten sechs Schüler_innenteams von Höheren Technischen Lehranstalten (HTLs) aus ganz Österreich. Innerhalb von 60 Tagen konnten die Teams, basierend auf einem Prototyp des Kurbelantriebs, einen alltagstauglichen, gelenkschonenden Rollstuhlantrieb entwickeln, der später von einer Fachjury bewertet wurde.

„Keep It Controlled“. Hier ist der Name Programm

Auf Basis des besten Konzepts wurde schließlich ein Prototyp gebaut und umfangreich getestet. Hannes Wiesinger, Mitglied der Jury und Obmann Stellvertreter des Verbandes der Querschnittsgelähmten Österreichs, freut sich: „Alle Teams haben unterschiedliche interessante Lösungen entwickelt – und dies insbesondere in Anbetracht der kurzen Zeit von nur 60 Tagen“. Warum „Keep it Controlled“ gewonnen hat? „Das Modell des Gewinnerteams entspricht am ehesten den praktischen Ansprüchen an einen Rollstuhl, weshalb es sich gegenüber den Konkurrenzmodellen durchgesetzt und nun als Prototyp auch den Beweis dazu angetreten hat,“ erklärt Hannes Wiesinger.

„Keep it Controlled“ von der HTL Mödling verspricht ein maximales Maß an Kontrolle und Flexibilität bei möglichst einfacher Handhabung im Alltag. Dies ist den Schülern gelungen, indem Sie den Handkurbelantrieb schwenkbar machen, damit ein Ein- und Aussteigen problemlos möglich ist. Außerdem kann der Antriebsmechanismus mit minimalem Aufwand auf einen individuellen Rollstuhl montiert und auch wieder demontiert werden. Der Greifring bleibt erhalten – um beispielsweise Bordsteinkanten zu überwinden.

Weniger Verletzungen durch K.U.R.T.

Auf Probefahrten bestätigte sich, was eine mit dem Prototyp durchgeführte Studie bereits zeigte: Durch den Handkurbelantrieb steigt nicht nur der Wirkungsgrad (in diesem Fall um etwa 50 Prozent), auch wird die Belastung auf mehr Muskelgruppen verteilt und die Gelenke bewegen sich in ergonomischen Winkelbereichen ohne extreme Auslenkungen. Dadurch wird die Belastung an Schulter- und Handgelenken verringert, wodurch wiederum die Verletzungsgefahr sinkt. Was bleibt, ist der positive Trainingseffekt, den der manuelle Rollstuhlbetrieb auf das Herz-Kreislauf-System hat. So hoffen Margit Gföhler und ihr Team, dass K.U.R.T. nach der Entwicklungsphase von Rollstuhlfahrer_innen genutzt werden kann.

Das Projekt wurde vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) im Rahmen eines Wissenschaftskommunikationsprojektes gefördert und zusätzlich von Ottobock Healthcare Products GmbH unterstützt.

Quelle und Foto: Technische Universität Wien